Schwarzwildmanagement
Die Forderungen des ÖJV-NB e. V. für ein zukünftiges Schwarzwildmanagement im Überblick:
• Verbot sämtlicher Kirrungen und Fütterungen
• Einschränkungen für Wildäcker und Feldschneisen (kein zusätzlicher Anbau von Futterpflanzen für Wildschweine)
• Verbesserung der Rahmenbedingungen für Drückjagden (insb. gesetzliche Schutzmaßregeln für überjagende Stöberhunde, kostenlose Verkehrssicherung durch die
Verkehrsämter, siehe www.drueckjagdundverkehr.de)
• Vermehrte Bejagung von Bachen im Herbst
• Reduktion der Schalenwildbestände und damit auch eine Reduktion der Wildunfälle (Unfallwild als Proteinquelle des Schwarzwildes)
• Entsorgung des Unfallwildes in Tierkörperbeseitigungsanstalten durch die Veterinärämter
• Einsatz von Frischlingsfallen in kritischen Situationen (z. B. Stadtwälder)
Die Bejagung des Schwarzwildes in Deutschland ist seit Jahrzehnten nicht in der Lage, die Bestände in ausreichendem Maße zu begrenzen bzw. notwendige Reduktionen einzuleiten. Aus der Sicht des ÖJV-NB liegt eines der Hauptprobleme in der utopischen Vorstellung, dass mindestens 80% der Frischlinge des jährlichen Zuwachses zur Strecke kommen sollen (wesentlicher Bestandteil des „Lüneburger Modells“ zur Bejagung des Schwarzwildes). Derartig hohe Frischlingsabschussquoten werden in den meisten Revieren nicht annähernd erzielt. Es ist auch mehr als zweifelhaft, ob die Anlage von Schneisen mit zusätzlichen Futterpflanzen in den Maisfeldern (Projekt des DJV) oder der Einsatz von Nachtzielfernrohren diese Situation in nennenswerter Form verändern wird.
Aufgrund des Scheiterns des Lüneburger Modells müssen aus unserer Sicht in Zukunft eine Reihe von Veränderungen eingeleitet werden, die nicht nur zum Ziel haben, hohe Jagdstrecken zu erzielen, sondern auch eine Reduktion des Fortpflanzungserfolges des Schwarzwildes ins Visier nehmen. So ist es wichtig, in Zukunft vermehrt Bachen auf Drückjagden zu bejagen. Die Bedeutung der Bachenbejagung für die Reduktion der Schwarzwildbestände wurde von den Wildbiologen Ulf Hohmann und Ulrich Wotschikowsky ausführlich aufgezeigt (Ulf Hohmann „Herausforderung Schwarzwild – Die Jagd am Scheideweg“ Ökojagd 2009 Ausgabe 1 Seite 4 bis 12 sowiewww.fawf.wald-rlp.de und Ulrich Wotschikowsky „Dogmen, Mythen, Missverständnisse: der Streit um die Leitbachen“ Ökojagd 2009 Ausgabe 4 Seite 24 bis 28). Der ÖJV-NB plädiert aus diesem Grund für eine verantwortungsbewusste Freigabe von Bachen auf Drückjagden von Oktober bis Anfang Dezember (natürlich unter der Voraussetzung, dass diese keine gestreiften Frischlinge führen). Drückjagden spielen für die Reduktion der Schwarzwildbestände eine Schlüsselrolle. Es ist daher wichtig, in Zukunft die Rahmenbedingungen für effektive Drückjagden zu verbessern. So gehören weiterhin zu den Forderungen des ÖJV-NB gesetzliche Schutzmaßregeln für überjagende Stöberhunde und eine kostenlose Verkehrssicherung bei Drückjagden durch die Verkehrsämter (s.www.drueckjagdundverkehr.de).
Weiterhin fordert der ÖJV-NB ein vollständiges Verbot sämtlicher Kirrungen und Fütterungen des Schwarzwildes, einschließlich der Anlage von Wildäckern und Schussschneisen mit zusätzlichen Energiepflanzen. Die Bedeutung der Kirrungen und Fütterungen für die Energieversorgung des Schwarzwildes in Deutschland wird in einer gemeinschaftlichen Publikation des ÖJV Baden-Württemberg und des NABU ausführlich dargestellt („Wildschweine in Baden-Württemberg“ von Michael Hug, zu beziehen über das NABU-Institut Bühl, Sandbachstraße 2, 77815 Bühl, Tel.: 07223/9486-0, Email: info@ilnbuehl.de, http://www.ilnbuehl.de/sites/bestellung.html). Sowohl im Jahr 2009 als auch im Jahr 2010 hat es in Norddeutschland längere Frostperioden gegeben, die ohne die Vielzahl von Kirrungen und Fütterungen zu einer deutlichen Reduktion des Fortpflanzungserfolges beigetragen hätten. Dies gilt umso mehr, da sich in hohem Maße Frischlinge an der Fortpflanzung beteiligen. Viele dieser Frischlingsbachen wären ohne Fütterung nicht in der Lage, ihre Feten bzw. Frischlinge in ausreichender Form zu ernähren. Bei der Vorstellung, dies durch den Verzicht auf Fütterungen in die Tat umzusetzen, graut es verständlicher Weise vielen Jägern. Eine hohe Frischlingssterblichkeit im Zusammenhang mit Witterungseinflüssen ist aber ein natürlicher Selektions- und Reduktionsvorgang, der in Deutschland wieder zum Tragen kommen sollte.
Als Ursache für die hohen Schwarzwildbestände wird in vielen Fällen als einzige Ursache der großflächige Maisanbau genannt. Mais ist eine energiereiche, aber proteinarme Nutzpflanze, die dem Schwarzwild in Deutschland nur in wenigen Monaten als Nahrung zur Verfügung steht. Ohne zusätzliche Nahrungs- und insbesondere auch Proteinquellen wäre das Schwarzwild nicht in der Lage, den hohen Fortpflanungserfolg zu sichern. So haben vor allem Frischlinge einen hohen Proteinbedarf. Als wesentliche Nebennahrung des Schwarzwildes mit einem hohenProteingehalt sind in Deutschland auch Aufbrüche und Unfallwild zu berücksichtigen, dass in der Mehrzahl der Fälle von Jägern im Wald entsorgt bzw. zum Beschicken von Luder-plätzen genutzt wird („Schwarzwild“, Lutz Briedermann, Neuausgabe bearbeitet von Burkhard Stöcker, 2009, Kosmos Verlag, u. a. S. 210). Auf deutschen Straßen kommen im Jahr ca. 250.000 Stück Schalenwild durch Wildunfälle zu Tode. Diese hohe Zahl von Verkehrsopfern ist Ausdruck überhöhter Schalenwildbestände, die von den Jägern seit Jahrzehnten „gehegt“ werden. Eine grundsätzliche Reduktion der Schalenwildbestände hat nachweislich einen starken Rückgang von Wildunfällen zu Folge und nimmt damit auch einen Einfluss auf die Nahrungsversorgung des Schwarzwildes (sowie auf die Verkehrssicherheit und den Tierschutz). In ein erfolgreiches Schwarzwildmanagement sollte in den Augen des ÖJV-NB auch die Entsorgung des Unfallwildes einbezogen werden. Die Entsorgung dieser Tierkörper sollte grundsätzlich in Tierkörperbeseitigungsanstalten erfolgen. Jägern kann diese Aufgabe nicht zugemutet werden. Aus diesem Grund muss die Entsorgung von Unfallwild eine Aufgabe der Veterinärämter werden, die schon heute für die Nutztierkörperbeseitigung zuständig sind.
Wir sind uns im Klaren, dass diese Forderungen zum Teil nur mit rechtlichen Veränderungen (insb. des Jagdrechtes) und
zusätzlichen Ausgaben der öffentlichen Hand zu verwirklichen sind. Ohne weit reichende Veränderungen der Rahmenbedingungen wird es aber nicht gelingen, den Schwarzwildbestand zu reduzieren. Die erhöhten Schwarzwildbestände führen in Deutschland nicht nur zu erheblich Wildschäden,
sondern auch zu einem hohen Risiko eines Ausbruchs der Europäischen Schweinepest (www.fli.de).
Es ist höchste Zeit für eine kritische Auseinandersetzung mit der herkömmlichen Schwarzwildjagd und –hege. Nur mit Mut zu Veränderungen wird sich verhindern lassen, dass der Gesetzgeber am Ende
zur Anti-Baby Pille greift und damit einen schweren Eingriff in die Wildbiologie und Wildbretqualität in Deutschland vornimmt. Dies wäre für alle Jäger die schlechteste Lösung und eine Blamage
für die bisherige Jagdpolitik!
Das Schwarzwildpositionspapier wurde von der Mitgliederversammlung des ÖJV-NB e.V. am 27.2.2010 verabschiedet und nach der Vorstandssitzung am 29.4.2010 zur Veröffentlichung freigegeben.